18. Spieltag: FC St. Pauli - 1.FC Kaiserslautern

Rückrundenstart. Für den gemeinen Fußballfreund einst darob des wochenlangen Entzugs ein Grund zu frohlocken, so ist der Begriff »Rückrundenstart« heute einer, der Angst und Schrecken in die Glieder eines Teils der im Internet versammelten Fanschaft fahren lässt. Woran liegt das?

»Hann se der ins Hern geschess, du Schwätzer? Hasche ned gesiehn, wie die geschbeelt hann im Dränningslaacher? Do muss der jo Angsch un Bang werre!«

Halt, stop! So einfach ist es nicht. Wer sich wie ich noch an Zeiten ohne stabsmäßige Überwachungstechnik (zumindest in der seligen, alten Bundesrepublik) im Allgemeinen und ohne lückenlose Protokollierung selbst der trivialsten Dinge rund um die Saison- bzw. Rückrundenvorbereitung einer Mannschaft im Speziellen erinnern kann, der hat vergeigte Testspiele auch schon erlebt. Allerdings auf einem anderen Niveau: per Rheinpfalzartikel in der Spalte »Notizen vom Sport«. In maximal zehn Zeilen. Ohne gemeinsame Tiefenanalyse im Verbund mit hunderten Gleichgesinnter. Allenfalls am Stammtisch. Zusammen mit zwei anderen Suffköppen. Bis man sich wieder über nackte Weiber und schnelle Autos unterhielt.

Heute ist das selbstredend anders. Da kann der geneigte FCK-Fan den Spielern quasi bis unter die Brause folgen, nein, er verlangt, den Spielern bis unter die Brause folgen zu können:

»Waaas? Es Teschdschbeel geje Dönerispor Güllebergili werd ned uf Juutuub iwwerdrah??? Was sind dann das für Schdimber? Skandal!!!«

Und diesen Testspielbegegnungen sei Dank, kann der geneigte Beobachter dann natürlich auch trefflich Schlüsse darüber ziehen, ob seine gestellten Erwartungen an Mannschaft und Trainer auch erfüllt werden. Denn die eigene Erwartungshaltung, die ist stets von Rationalität geprägt, stets von Vernunft geleitet und stets ein Abbild analytischer Auswertung und kühler Sachlichkeit. Dass sie von der Emotion geleitet ist und daher auch der Situation unangemessen sein kann, nein, das ist der eigenen Erwartungshaltung niemals zu eigen. Weder wenn es um den FCK geht noch in allen anderen Dingen des Lebens.

Dabei täte es wahrscheinlich den meisten gut, nix von diesen Vorbereitungsspielen zu sehen, um sich vor dem emotionalen Kurzschluss und ihre Umwelt vor dem mitansehen müssen ihres persönlichen Meltdowns zu bewahren. Denn was ist eigentlich die Erkenntnis, die der Zuschauer ziehen kann, wenn er nicht in der Kabine dabei ist, wenn er die taktischen Anweisungen nicht kennt?

»Scheiße geschbeeld hann se, du Holzkopp. Mer schdeie ab!«

Aber auch hier: So einfach ist es nicht. Denn auch wenn man einerseits argumentieren kann, dass ein Trainer im letzten Testspiel nicht mehr experimentieren dürfe, weil er ja die Einzelspieler und ihre Stärken und Schwächen kennen und deshalb ein funktionierendes System bereist einstudiert haben müsse, so sind diese Spiele doch eigentlich genau dafür da: Raum zu geben, Dinge unter annähernd Wettbewerbsbedingungen zu probieren und auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen. Und da können, nein, dürfen Dinge auch mal in die Hose gehen.

»Zieh dei rosa Brill ab, du Scheenfärwer! Mer kenne abmelle, so sieht's aus! Med dem Drääner werd's jedenfalls nix meh!«

Ich bin auch nicht blind. Ich kenne die letzten Ergebnisse. Ich verstehe, wie eine Tabelle funktioniert. Und ob ihr es glaubt oder nicht, ich bin auch nicht blauäugig und sehe sehr wohl, dass diese Rückrunde ein Tanz auf der Rasierklinge werden kann. Und ich sehe auch, dass Grammozis mit seiner Mannschaft – vom Pokalspiel abgesehen – jetzt nicht unbedingt die Sterne vom Himmel gespielt hat. Aber die Unverfrorenheit, mit der manche Leute über Grammozis herziehen, diese an üble Nachrede grenzende Dümmlichkeit der Argumentation, die lässt mir zumindest die Hutschnur reißen.

Und das schönste dabei ist, dass das dann die gleichen sind, die nicht müde werden, von den »Werten Fritz Walters« zu schwadronieren und wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Schämt euch, ihr Heuchler!

Und damit – endlich – zum Spiel gegen die braunen Hamburger. Die in den letzten drei Ligaspielen drei Unentschieden abgeliefert haben. Die von Holzbein Kiel auf den zweiten Tabellenplatz verdrängt worden sind. Die ihr letztes und einziges Testspiel auch verloren haben. Die aber als klarer Favorit ins Spiel gehen und bestimmt nicht den Aufbaugegner für die Männer aus der Pfalz geben wollen.

Also daheim bleiben und die Punkte per Post ans Millerntor schicken? Naja, hin fahren sollten wir schon. Und wenn wir schon mal da sind, dann können wir auch spielen. Und wenn wir schon mal spielen, dann können wir auch den Kampf annehmen und alles rein werfen. Und wenn wir den Kampf annehmen und alles rein werfen, dann …

In jedem Fall ist die Saison nicht schon nach diesem Spiel vorbei, egal ob Sieg, Niederlage oder Unentschieden. Noch viel mehr als das blanke Ergebnis gegen einen der Topfavoriten auf den Aufstieg interessiert mich nämlich das Wie unseres Auftritts. Spielen wir mutig, spielen wir zielstrebig, minimieren wir unsere Fehlerquote, maximieren wir unsere Passquote, kommen wir der von Hengen und Grammozis ausgerufenen Vorgabe näher, uns aktiv am Spiel zu beteiligen und nicht nur zu lauern und zu kontern?

An diesen Dingen werde ich zumindest das Spiel bewerten. Das heißt aber nicht, dass ich eine Niederlage einfach so weg wischen würde, enttäuscht wär ich da auch. Grad dann, wenn wir so stümperhaft wie gegen Osnabrück auftreten. Enttäuscht wär ich aber auch, wenn wir gut mitspielen und dann eine unglückliche Niederlage wie im Hinspiel kassieren. Das Ergebnis ist aber nun mal nicht alles. Auch wenn es eigentlich alles ist. Aber das sind komplizierte Nuancen. Grad dann, wenn keiner weiß, wo wir eigentlich stehen.

Prognosen über die Aufstellung überlasse ich euch. Wie Hamburg spielen will ist mir egal, ich kenne eh keinen von deren Spielern. Wen ich aber kenne sind unsere Fans und von denen weiß ich, dass sie ein sehr sprunghafter Haufen sind. Läuft's, dann steht man voll hinter dem Verein, dem Management, dem Trainer und den Spielern – läuft's nicht, dann ist alles Scheiße und der ganze Laden gehört aufgeknöpft. Und deshalb wäre ein Auftritt, der Courage zeigt und nach dem man sagen kann, die Männer haben alles gegeben so dermaßen wichtig. (Auch wenn diejenigen, die sich schon nach Karten gegen die Wormatia und den FK Pirmasens umschauen, auch dann noch den sicheren Untergang besingen werden.) Denn man kann als Betze ruhig verlieren, wenn man gezeigt hat, dass man alles dafür getan hat, dies nicht eintreten zu lassen.

In diesem Sinne,

FORZA FCK!
This contribution was last edited by Devil_till_Death on Jan 15, 2024 at 1:44 PM hours